Building Information Modelling ist eines der zentralen Digitalisierungsthemen der Bau- und Immobilienwirtschaft. Und dabei geht es um viel mehr als nur um Software und Technologie. BIM ist ein Vorzeichen einer tiefgreifenden Veränderung der Branche: Weder will man sich weiterhin leisten, jedes Projekt als Prototyp zu starten und dabei immer dieselben Fehler zu machen, noch will man vor, während und nach dem Bau mit den Partnern im Streit liegen. Die Transparenz und auch die Intelligenz, die BIM in den Bauprozess bringt, setzt genau hier an.
Autor: Alexander Ghezzo
Was ist BIM?
Beim Building Information Modelling geht es darum, den Bauprozess zu optimieren indem der gesamte Planungsprozess digital passiert. Der 2D Plan wird zu einem 3D Modell in dem alle bekannten Daten und Qualitäten eingepflegt, bzw. hinterlegt sind. An diesem Modell (digitaler Zwilling) kann man verschiedenste Szenarien und Varianten ausprobieren und mit Virtual Reality sogar erlebbar machen. So können Bauherrn schon vor Baubeginn den Plan optimieren und Entscheidungen treffen. Man spart die vielen Zeitverzögerungen beim Bauen selbst, weil alles ausdefiniert ist. Im Bau ist das BIM Modell die alles bestimmende Konstante. Aus diesem werden Bestellungen abgeleitet, Zeitpläne erstellt und der Baufortschritt kontrolliert.
Alle Abweichungen werden entsprechen ins System zurückgespielt und so hat man am Ende des Bauprozesses ein perfektes Digitales Modell, das dann auch im Gebäudebetrieb eine wichtige Stütze ist, um die Wartung, Energieverbräuche und Optimierungsprojekte zu vereinfachen.
BIM in der Praxis angekommen?
Spricht man mit PraktikerInnen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft zum Thema BIM, hört man meistens „Das machen ja nur die Großen!“ oder „Darüber reden alle, aber umgesetzt wird nichts“, aber auch: „daran führt kein Weg vorbei und der Bedarf an Experten in Zukunft wird kaum zu decken sein.“
„Klar ist, dass BIM sich schrittweise immer weiter etabliert und zahlreiche Vorteile bietet: Die Integration wichtiger Daten sorgt für durchgängige Arbeitsweise über Unternehmensgrenzen hinweg – ein unschätzbarer Vorteil für Großprojekte. Fraglich ist für viele Unternehmen allerdings noch, wie sich dies bei kleinen Projekten verhält – d.h. ab welcher Größe der Einsatz von BIM sinnvoll ist. Da sind manche noch von den vermeintlichen Anforderungen verunsichert, die der „BIM Start“ erfordert. Das ist jedoch nicht nur in Österreich so, wir sind da mit ähnlichen Erfahrungen in Deutschland in guter Gesellschaft.“, sagt Wolfgang Stöger, der mit Xeometric/ELITECAD daran arbeitet, BIM der KMU-Welt zu eröffnen.
BIM Pilotprojekte gibt es bei vielen Bauträgern und die großen Bauunternehmen bekennen sich zu einer Zukunft mit BIM. Karl Heinz Strauß, CEO der PORR, beschrieb den Wandel in seinem Unternehmen so: „Planung, Bauabwicklung, Abläufe und Errichtung werden immer vernetzter und digitaler. Wir arbeiten im Konzern an der papierlosen Baustelle. Seit 2011 beschäftigen wir uns mit dem BIM-Konzept – und wir haben im Vergleich zu anderen Unternehmen österreichweit und deutschlandweit die meisten BIM-Mitarbeiter. Wir haben vielfältige Planungstools, und damit wird die Logistik eine andere, was zum Beispiel Bestellung und Lieferung von Material betrifft. Wir sind über Netzwerke alle miteinander verbunden, haben Real-Time-Daten zur Verfügung und können daher zeitnah Entscheidungen treffen.“
Michael Pech, Vorstand des ÖSW, meint: „Durch den Einsatz von BIM können komplexe Projekte mit wesentlich verringertem Planungsrisiko und deutlich gesteigerter Kostensicherheit abgewickelt werden. Nach erfolgter Bauübergabe kann das Gebäudemodell als Dokumentation zur Organisation des Betriebs genutzt werden. Damit ist ein durchgängiger Informationsstand über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes verfügbar.“ Das Österreichische Siedlungswerk hat seine ersten Erfahrungen mit BIM schon gesammelt und Pech resümiert: „Die Helden der Baustelle sind heute nicht mehr die, die am Freitag Nachmittag schnell einen Kubikmeter Beton heranschaffen. Die wahren Helden sind heute die, die das zu vermeiden wissen, weil von Anfang an die richtigen Mengen am richtigen Ort sind.“
Auch bei 6B47 hat man schon erste BIM Erfahrungen. Martin Renezeder (Digitalisierung & Innovation) hat daraus mitgenommen, dass es auch innerhalb des Unternehmens einen Kulturwandel brauchte, um sich dem Thema voll und ganz zu öffnen.
Der digitale Zwilling
Kernstück von BIM ist der digitale Zwilling. Steffen Robbi vom AIT Austrian Institute of Technology GmbH fasst zusammen: „Wir haben heute in der Planung viel Informationsverlust bei den Schnittstellen. Idealerweise sollte in der Architektur mit dem Geometriemodell begonnen werden und dieses Modell dann von allen Fachplanern weiterverwendet werden, sodass am Schluss des Planungsprozesses ein vollständiges Modell vorhanden ist. Wenn es beim Bau Anpassungen oder Änderungen gibt, werden diese im Modell nachgezogen, damit bei Fertigstellung des Gebäudes auch ein „as-built“ Modell zur Verfügung steht. In diesem Prozess können schon frühzeitig Kollisionen erkannt und vermieden werden, zum Beispiel, wenn ein Mauerdurchbruch nicht zur Rohrleitungsführung passt. Aber das ist erst der Anfang. Das Modell kann auch relevante Energiekennwerte berechnen, um damit die Dimensionierung der Heiz- und Kältetechnik zu prüfen. Es können Beleuchtungssimulationen ausgeführt werden, um die Platzierung von Leuchtkörpern zu optimieren. All dies ist heute bereits möglich, allerdings nur mit zusätzlichem Modellierungsaufwand, der in Zukunft durch ein integriertes konsistentes Modell vermieden werden soll.“
Die BIM Stufen
Der praktischen Umsetzung von BIM nähern sich die Unternehmen aus der Bau- und Immobilienbranche in Stufen.
Bei BIM Stufe I geht es hauptsächlich darum, statt an den üblichen 2D-Dokumenten und CAD Plänen an einem BIM Modell zu arbeiten, das 3D Visualisierungen ermöglicht und gut strukturierte Daten liefert. Hier kann man schon sehr gut die BIM-Potentiale erkennen, Risiken minimieren und Verbesserungen in der Planung vornehmen. BIM Stufe I endet an Unternehmensgrenzen. Daten können zwar geteilt werden, aber ein gemeinsames Arbeiten am Modell und automatisierte Rückmeldungen und Beauftragungen sind nicht möglich.
Bei BIM Stufe II geht es um Zusammenarbeit über Projekt- und Unternehmensgrenzen hinweg. Echte Kollaboration bei der gemeinsamen Nutzung der Daten ermöglicht eine völlig neue Qualität des Bauprozesses. Das erfordert sowohl eine veränderte Haltung der Akteure auf der Baustelle zu einander als auch eine technische Aufrüstung der Sub-Unternehmer. Wer soll diese Kosten übernehmen? Christoph Gröner – CEO der CG Gruppe – stellt seinen Sub-Unternehmern die Hard- und Software zur Verfügung, um Kompatibilitätsprobleme zu vermeiden.
Stufe III bedeutet dann die völlige Auflösung aller Abgrenzungen im Lebenszyklus eines Gebäudes. Daten können von allen Akteuren dazu genutzt werden, Optimierungen vorzunehmen, deren langfristige Konsequenzen simuliert und getestet, dokumentiert und kommuniziert werden.
In der Theorie geht das dann soweit, dass Haftungen, Verträge, Gewährleistungen usw. an Bedeutung verlieren, weil alles transparent und klar ist und viele Prozesse automatisiert ablaufen können.
Daraus gibt sich ein unglaublicher Benefit für den Betrieb. Überhaupt bietet BIM auch im Bestand viel Optimierungspotential, wobei die Digitalisierung des Bestands noch eine sehr teure Angelegenheit ist. Stefan Babsch – Geschäftsführer der STRABAG PFS – meint: „Bei BIM denken die meisten an Neubauten. Dabei hat es im Bestand für Facility Manager ein enormes Potential. Die meisten unserer Gebäude wurden nicht in BIM geplant. Wir sind fest davon überzeugt, dass es zukünftig auch Formen der Digitalisierung von Bestandsgebäuden geben wird. Erste Pilotprojekte laufen bei uns schon.“
Kosten und Nutzen
Schaut man sich, wie viel bei Bauprojekten gestritten, geklagt und verschwendet wird und hinterlegt das mit Echtkosten, bekommt man den Eindruck, dass notwendige Investitionen für eine BIM Einführung sich ganz schnell rechnen sollten. Aber wer zahlt und wer profitiert?
Am meisten profitieren die Bauträger und Bauherrn, die eine Immobilie auch im Bestand behalten. Der Bauprozess läuft runder und den laufenden Betrieb kann man optimieren. Aber auch für die Auftragnehmer wird das Leben leichter, wenn sie Projekte besser abwickeln können und eine faire Abrechnung garantiert wird.
Und wie passt BIM zur aktuellen Projektkultur und den aktuellen Organisationsformen?
Themen wie Claimmanagement, Billigstbieterprinzip und Bauherrnwillkür tragen nicht gerade zu Transparenz und Kollaboration bei.
Doch hat sich in den letzten Jahren das Bauen massiv verteuert und teilweise war es schon schwierig überhaupt Baufirmen und Subunternehmen zum gewünschten Termin zu bekommen. Diese Verknappung erhöht vielleicht den Anreiz mit BIM zu arbeiten.
Herausforderungen auf dem Weg zu BIM
Herausfordernd sind die riesigen Datenmengen und die fehlenden Standards. Es fehlt noch an Erfahrungen und in den Unternehmen muss neben dem Aufbau von Fachkompetenz auch ein kultureller Wandel stattfinden. Vertrauen sowohl in die technischen Lösungen als auch die Projektpartner muss aufgebaut werden, unterstützt durch die Transparenz, die BIM schafft.
Auf wird BIM ein wichtiges Thema der Green & Blue Building Conference am 12. November 2019 sein.