Studentisches Wohnen im Spannungsbogen von Nachhaltigkeit und Kosten

von

GBB Awards Einreicher aap architekten

 

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Einen weiteren Einreicher zum GBB Award wollen wir im Blog vorstellen Die Firma aap architekten aus Wien hat sich auf den Passivhausstandard in Neubau ...

... Einen weiteren Einreicher zum GBB Award wollen wir im Blog vorstellen Die Firma aap architekten aus Wien hat sich auf den Passivhausstandard in Neubau und Sanierung spezialisiert Mit dem Projekt mineroom hat das Unternehmen ein Projekt eingereicht bei dem es um studentisches Wohnen in Leoben geht Martina Feirer erzählt im Interview über die Besonderheiten des Projekts

Autor: Alexander Ghezzo

Ghezzo: Was macht das Projekt mineroom so nachhaltig?

Feirer: mineroom Leoben ist ein hochenergieeffizientes Gebäude und wurde unter Verwendung von ökologischen Baustoffen errichtet. Es zeigt, dass sich energieeffizientes Bauen, Nutzerkomfort und Architektur vereinen lassen. Durch die vorwiegend internationalen Studierenden wird die Idee des nachhaltigen Bauens und das heimische Knowhow dazu über die Grenzen Österreichs auch in deren Heimatländer getragen. Bauherr, Betreiber und das Architektenteam verbindet das Anliegen, das Wissen um die energieeffiziente, ökologische und nachhaltige Bauweise dieses Gebäudes weiterzugeben, daher steht mineroom im Rahmen von Exkursionen und Veranstaltungen auch Nichtstudierenden offen. Die Fachplaner für Statik, Bauphysik, Haustechnik und Brandschutz wurden von Anfang an intensiv in die Planung eingebunden. Um den vorgegebenen knappen Zeitplan einhalten zu können, war von allen Beteiligten ein hohes Maß an Reaktionsschnelligkeit bei Entscheidungen, Flexibilität und lösungsorientiertem Handeln erforderlich. Diese Herausforderung wurde vom gesamten Team als gemeinsame Aufgabe betrachtet und unter teilweise großem persönlichem Einsatz auch zusammen gemeistert. Die Tatsache, dass sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegneten und alle nur auf das Erreichen eines Zieles fokussiert waren, nämlich das Gebäude in bestmöglicher Qualität zum vorgegebenen Zeitpunkt fertigzustellen, ermöglichte eine nahezu reibungslose Abwicklung des Projektes und ein in der Baubranche leider selten gewordenes partnerschaftliches Arbeiten.

Copyright J.Konstantinov

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Ghezzo: Bei Mineroom spürt man, dass das soziale Miteinander gefördert werden soll. Erzählen Sie uns doch bitte darüber, wie das die Grundrisse geprägt hat?

Feirer: Da die Studierenden in den Häusern der OeAD-Wohnraumverwaltung aus dem Ausland kommen und oft nur kurz in Österreich bleiben, ist es uns ein Anliegen gewesen, niederschwellige Treffpunkte im Gebäude anzubieten. Der wichtigste davon ist sicherlich der Eingangsbereich im Erdgeschoss, das sogenannte „erweiterte Wohnzimmer“. Direkt zugänglich von diesem Bereich sind sämtliche allgemein nutzbare Räume, wie Lernräume, ein Fitnessraum, die Gösserstube mit Bar (die Brauerei Göss liegt von dieser Gebäudeecke 10 Gehminuten entfernt), ein Musikübungsraum der als Bühne zur Gösserstube dazu genommen werden kann und vor allem der Waschsalon. Da oft gewartet wird bis ein Waschprogramm fertiggelaufen ist, bietet sich in der Zwischenzeit die Möglichkeit im erweiterten Wohnzimmer Platz zu nehmen, eine Partie zu wutzeln oder im Innenhof schnell eine Runde Tischtennis zu spielen.

Zusätzlich zu den Allgemeinflächen im Erdgeschoss sind Bereiche der Erschließungsflächen in den Obergeschossen durch die Abtrennung mit Brandschutztüren zu Aufenthaltsbereichen aufgewertet worden. Diese sogenannten Stuben verfügen alle über eine natürliche Belichtung. Diese verringert den Bedarf für künstliche Beleuchtung der Erschließungsflächen und bietet eine hohe Aufenthaltsqualität. In den Stuben finden sich Sitzgelegenheiten und Tische zum Beisammensitzen, ein Open-Bookshelf und ein Recyclingpoint an dem Studierende Dinge, die sie bei Ihrer Heimreise nicht mitnehmen möchten, für andere Bewohner des Hauses hinterlassen können.

Auf dem Dach gibt es eine verglaste Stube, die Kanzel, von der aus die Studierenden den Ausblick auf den Reiting, den Hausberg der Leobener, genießen können.

Ghezzo: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Holzbau? Wo sehen Sie die Vorteile und die Nachteile?

Feirer: Immer öfter führen wirtschaftliche Überlegungen dazu, ein Gebäude aus Holz zu errichten. Die Bauzeitreduktion stellt hier einen Vorteil dar. Durch den hohen Vorfertigungsgrad im Werk ist eine hohe Qualität der Anschlüsse gewährleistet. Statisch können durch das geringe Gewicht und da Holz ein elastischer Baustoff ist, Bauteile schlanker als im Massivbau dimensioniert werden. Holzfassaden sind, wenn sie nach den Regeln des konstruktiven Holzschutzes ausgeführt werden, wartungsfrei.

Für die Problemstellungen von Brandschutz und Schallschutz sind mittlerweile geprüfte Aufbauten und Detailanschlüsse für Planer verfügbar. Durch laufende Forschungsarbeit in diesen Bereichen werden neue Lösungen möglich. Die sommerliche Überwärmung betreffend stellt eine neue Pro Holz Studie (Juni 2016) fest, dass die Speichermasse im Vergleich zu einer außenliegenden Verschattung und entsprechenden Luftwechsel keine so große Rolle spielt, wie bisher angenommen.

Auch ökologische Überlegungen können den Ausschlag geben, sich für ein Holzgebäude zu entscheiden. Holz bindet ca. 1t CO2 pro m3 verbautem Holz. Bei der Errichtung des Studierenden-Wohnheimes mineroom konnten 2.000t CO2 gebunden werden. Bedingt durch das geringe Gewicht des Baustoffes, kann beim Transport ebenfalls CO2 eingespart werden. Energieeffiziente Gebäude sind im Holzbau besonders gut umsetzbar. Holz verfügt von sich aus über einen guten Wärmedämmwert, daher lassen sich Detailausführungen wärmebrückenfrei und luftdicht problemlos realisieren, was besonders bei der Konstruktion von Passivhäusern von Vorteil sein kann. Darüber hinaus sind Gebäude aus Holz nach ihrer Lebenszeit rückbaubar und recyclierbar oder final thermisch verwertbar.

Holz hat sowohl optisch als auch haptisch besondere Qualitäten: angenehm warme Oberflächen, natürliche Farbgebung, eine behagliche Atmosphäre. Es reguliert die Luftfeuchtigkeit und nimmt Schadstoffe aus der Luft auf. Und nicht zuletzt: Holz ist schön… So äußerte sich ein Anrainer des Studierenden-Wohnheimes mineroom kurz nach der Fertigstellung: „Diese Holzfassade, die ist wirklich gelungen! Ich freue mich jedes Mal, wenn ich daran vorbeifahre!“

Ghezzo: Wie gehen Sie mit dem Spannungsbogen ‚Nachhaltiger Betrieb vs. Baukosten‘ um?

Feirer: Das Thema begleitet uns schon seit vielen Jahren. Über einen längeren Zeitraum betrachtet „rechnet“ sich energieeffizientes Bauen für die Bauherren und ist meistens gut kommunizierbar. Durch zusätzliche Förderanreize von Bund und Ländern sind Bauherren bereit in diesem Bereich zu investieren. Die Lebenszyklusbetrachung von Baustoffen und die Recyclierbar- und Rückbaubarkeit eines Gebäudes ist für den Bauherren meist schwieriger darstellbar. Bei Bauträgern und Unternehmern kann eine am Gemeinwohl orientierte Firmenphilosophie Grund für Überlegungen zum nachhaltigen Bauen sein, oder es bietet sich die Möglichkeit Nachhaltigkeit als Marketinginstrument zu betrachten. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Bauherren in diesem Bereich umfassend zu informieren und Entscheidungshilfen zu geben. Oft ist man als Planer jedoch mit vorgegebenen Konzepten konfrontiert, die leider wenig Spielraum für die Entwicklung von nachhaltigen Projekten lassen.

Ghezzo: Welche weiteren Herausforderungen sind damit verbunden, wenn man nachhaltig baut?

Feirer: Wir betrachten das als spannende Herausforderung, es führt oft zu neuen Lösungen. So wurden zum Beispiel im Studierendenheim mineroom aus den Innenwandelementen aus Massivholzplatten die Türen herausgeschnitten. Normalerweise verbleiben diese Ausschnitte bei der liefernden Firma und werden geschreddert und thermisch verwertet. Wir haben überlegt, wie sich dieses Restmaterial verwenden lässt. Durch Upcycling wurde es zu mobilen Möbeln verarbeitet. Tische, Bänke, Hocker und Sideboards bringen nun den Holzcharakter wieder zurück in die Wohn- und Gemeinschaftsräume. Hier sind durch die Verwendung von 250 m² Brettschichtholz statt Spanplatten, die dadurch eingespart werden konnten, ca. 25t CO2 gebunden und die Möbel sind dauerhafter als aus Spanplatten.

Ghezzo: Gibt es spannende neue Technologien, Baustoffe usw. die Sie gerne einsetzen würden?

Feirer: Die Modulbauweise ist eine interessante Planungsaufgabe, die wir in unserem Büro noch nicht bis zur letzten Konsequenz einsetzten konnten. Bei den Holzwerkstoffen gibt es derzeit eine rasante Entwicklung, neue Verbundmaterialien und Bearbeitungsmöglichkeiten machen das Bauen mit diesem Werkstoff immer spannend. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen zur Entwicklung neuer Lösungen im Rahmen eines Projektes wäre ebenfalls eine interessante Herausforderung.

Ghezzo: Welche weiteren Projekte planen Sie im Fokus der Nachhaltigkeit?

Feirer: aap.architekten steht seit mehr als 25 Jahren für sozial und ökologisch nachhaltige Architektur. Inhaltliche Schwerpunkte unsrer Arbeit sind dabei energieeffizientes Bauen, die Verwendung nachhaltiger Baustoffe und Beteiligungsprozesse. Seit 2009 arbeiten wir als Pionierbetrieb an der Entwicklung der Gemeinwohl-Ökonomie mit. Werteorientiertes wirtschaftliches Handeln ist dabei unsere Triebfeder. Wir hoffen auch in Zukunft, dass wir durch die entsprechenden Aufträge unserer Bauherren, die Möglichkeit bekommen ökologische und sozial nachhaltiger Konzepte umzusetzen.

Welcher der Einreicher tatsächlich den GBB Award gewinnt erfahren Sie auf der 9. GBB Green & Blue Building Conference!

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