Holodeck für die Immobilienwirtschaft – Wie Augmented- und Virtual Reality die Immobilienvermarktung effizienter machen

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Marcel Nürnberg hat sich bei der Gründung und Weiterentwicklung des Start Ups Squarebytes von Star Trek und vom Silicon Valley inspirieren lassen. Dass seine Visionen auch für die Immobilienbranche nicht zu abgehoben sind, zeigt die Kundenliste des Unternehmens. Buwog, Immofinanz u.v.a.. Im Interview berichtet Marcel über die aktuellen Trends, über Hürden und von der Suche nach der ‚Killer App‘. Zur Einstimmung gleich ein virtueller Rundgang:

 

Virtual Reality (VR),  Augmented Reality (AR), 3D Visualisierungen: Begriffe denen man nicht mehr nur beim Gaming begegnet. Auch in der Business Welt halten sie Einzug, werden da aber etwas unscharf verwendet. Kannst Du uns die Begriffe und deren praktische Bedeutung etwas erhellen?

In der Immobilienbranche bestehen 3D Visualisierungen hauptsächlich aus computergeneriert Bilder, die auf Basis von Bauplänen produziert werden und anschließend in Exposés oder auf Bautafeln gedruckt werden. Mit diesen Bildern ist es möglich gerade in Bau befindliche sowie zu entwickelnde oder zu restaurierende Objekte vom Plan weg zu verkaufen. Da sich meist der Interessent kaum etwas unter einem 2D Grundrissplan vorstellen kann, liefern die 3D Visualisierungen ein plastischeres Verständnis der Räumlichkeit der Immobilien. Das führt zu einem Vertrauensvorschuss beim Interessenten und somit der Bauträger einen schnelleren Verkaufsabschluss generieren kann. Diese Idee der Architekturvisualisierung gibt es bereits seit etwa 15 Jahren und ist heute zu einem klassischen Vertriebstool für jeden professionellen Marketing-Mix geworden.

Von Jahr zu Jahr setzen jedoch immer mehr Bauträger auf die bereits in Gang gesetzte Digitalisierung, die ebenfalls in der Architekturvisualisierung Ihren Anklang gefunden hat. Das bedeutet, dass man im Vertrieb nicht mehr ausschließlich statische 3D Visualisierungen verwendet, sondern gerade versucht neue Technologien wie „VR“ (Virtual Reality) und „AR“ (Augmented Reality) in den Verkaufsprozess zu integrieren. Unter VR/AR versteht man heute ein Zusammenspiel aus Hardware und Software, die es ermöglichen in eine virtuelle Welt einzutauchen. Durch VR/AR wird der einst stille Betrachter seines Monitors zum Protagonist seiner eigenen Geschichte. Durch die Immersion, also das glaubhafte Eintauchen, in die virtuelle Welt wird die Immobilienbesichtigung zu einem stark emotionalen Erlebnis, womit das Interesse für das Marketing geweckt wurde.

Der größte Unterschied zwischen VR und AR ist der Grad der Verschmelzung zwischen Realität und der virtuellen Welt. Durch VR ist man zu 100 % Betrachter einer virtuellen Welt, wobei AR es ermöglicht die reale Welt hinzuziehen. Bei unserer VR-Spielwiese können Interessierte in einem abgesperrten 4×4 m Bereich mittels VR-Brille und 2 Controllern komplett ein gesamtes Haus mit etwa 200 m² virtuell erkunden. Dort kann per Knopfdruck interaktiv die Umgebung verändert werden, indem man zwischen verschiedenen Bodenbeläge, Möblierung und Lichtsituationen in Echtzeit wechselt. AR kann zB genutzt werden, um virtuelle 3D Elemente am realen Grundrissplan wie zB das 3D Gebäude einzublenden, in dem man das Tablet mittels Kamerafunktion auf den Grundriss richtet. Das Tablet dient dann als Fenster zu einer durch virtuelle Elemente erweiterte Realität. Heute funktioniert AR auch über AR-Brillen wie zB der Microsoft Hololens, die ebenfalls mit einer Gestenerkennung ausgestattet ist. Somit kann man mit den bloßen Händen mit dem virtuellen Objekte interagieren.

Wie bist Du zu dem Thema gekommen und was fasziniert Dich daran?

Die erste Idee einer virtuellen Welt wurde mir bereits als Kind mit der Fernsehserie Star Trek regelrecht in meinem Kopf implantiert. Dort gab es das sogenannte „Holodeck“, mit dem es möglich war jede erdenkliche Welt durch einen intelligenten Computer virtuell zu erschaffen, die jedoch so glaubhaft umgesetzt war, dass man glaubte wirklich dort zu sein. Als Kind war es einfach sich die fantasievollsten Welten sich vorzustellen, jedoch verlieren wir diese Fähigkeit mit zunehmenden Alter. Jahre später befasste ich mich auf der TU Wien mit dem Thema VR, bei dem ich zum ersten Mal eine VR-Brille am CG Institut im Sinne einer Vorlesungsübung ausprobierte. Obwohl die visuelle Qualität sehr schlecht war, kam es mir so vor als würde ich wirklich auf dem Gehsteig neben einer befahrenen Straße stehen. Das Gefühl der Faszination für fantasievolle Welten kam in diesem Moment wieder in mir hoch. Seit dem war mir klar welches unglaubliche Potential VR hat, nämlich das einzigartige Erlebnis wieder Kind zu sein.

Wie schaut es mit praktischen Umsetzungen in der Immobilienwelt aus?

Wir bieten 2 neue Wege in der Architekturvisualisierung an. Einerseits durch unsere „360° Web Tour“. Der Makler schickt an mehreren hunderten Interessenten einen Link per Email, bei dem die virtuelle Besichtigung hinterlegt ist. Der Interessent kann sich dann Online über alle Geräte wie Smart Phone, Tablet oder PC seine Traumimmobilie 24/7 besichtigen. Der Makler kann mit diesem Tool eine Vorselektion tätigen, da sich nur dann die 5 % der Interessenten bei dem Makler melden, die wirklich an dem Objekt interessiert sind. Somit spart sich der Makler 95 % der Laufwege für die realen Besichtigungen. Eine stationäre Variante bieten wir mit unserer VR-Spielwiese an, bei dem der Interessent vom Makler in sein Büro eingeladen wird und mittels VR-Brillen seine Traumimmobilie erkunden kann. Darüber hinaus können dort die gesamte Bau- und Ausstattungsbeschreibung per Knopfdruck wie zB Bodenbeläge, Ausstattung sowie Beleuchtungssituationen in Echtzeit verändert werden. Damit versetzt man den Interessenten nicht nur in eine mögliche Zukunft sondern gibt diesen auch die Möglichkeit diese zu gestalten.

Die Immobilienbranche ist normalerweise in technischen Belangen nicht gerade ein ‚Early Adopter‘.  Wie erlebt Ihr die Zusammenarbeit?

Wir haben bereits große Bauträger wie Immofinanz, Buwog und Raiffeisen an Board, die den Mehrwert der interaktiven virtuellen Darstellung durch VR erkannt haben. Es ist nicht eine Frage des Nutzens, den man mit VR bewirkt, sondern mehr eine Frage des Marketingbudgets für das jeweilige Projekt. Diese Offenheit für solch innovativen Projekte schwächt mit der Größe des Projekts und dem jeweiligen Marketingbudget ab. Noch ist die Produktion solcher VR-Touren sehr aufwendig, da diese wie ein Computerspiel produziert werden müssen. Einer unserer Ziele für 2017 ist diesen Produktionsprozess durch Automatismen auf ein Drittel zu reduzieren, damit wir mit klassischen Architekturvisualisierungen Konkurrenzfähig werden.

VR Brillen sind das neue Highlight unter den Give-aways auf Messen usw.. Das Handy wird in eine mehr oder weniger wertige Hülle gepackt. Und dann? Wie geht es weiter, so dass man damit auch wirklich etwas anfängt und nicht nur ein paar Demos sieht?

Diese Hülle sind die sogenannte Cardboards und die günstigste und mobilste Variante, die es am Markt gibt eine erste virtuelle Erfahrung mit VR zu machen. Diese Cardboards sind momentan noch ein trendiges Vertriebstool, das Erstbenutzer begeistert. Jedoch kommen diese Cardboards von der visuellen Qualität nicht an die stationären VR-Lösungen heran. Bald wird das Cardboard jeder kennen und an Marketingschlagkraft verlieren. Aber darum geht es hier nicht, da es viel wichtiger ist, dass die Menschen lernen, welche Potentiale diese Technologie mit sich bringt. Haben das die Konsumenten erstmal verstanden, wird es Status Quo werden und man wird sich viel mehr dem Thema VR beschäftigen müssen, da der Druck von Unten für die Bauträger in der Vermarktung entstehen wird. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis diese Technologie in jedem professionellen Marketing-Mix zu finden sein wird.

Die großen Kommunikations- und Medien Konzerne investieren Millionen in das Thema VR. Was kann man sich in Zukunft von dieser Technologie erwarten?

Früher waren solche VR-System eine teure und aufwendige Angelegenheit. Palmer Lukey der Gründer von Oculus schaffte es 2011 mit bloßen Pappkarton, 2 Linsen und ein Handy eine kostengünstige Variante seines ersten Prototyps einer VR-Brille in einer Kickstarter-Kampagne in kürzester Zeit das Zielinvestment einzusammeln, um daraufhin 2014 von Facebook für 2 Milliarden Dollar aufgekauft zu werden. Seit 2014 versuchen andere Hersteller wie HTC, Sony, Samsung usw. mit Ihren VR-Brillen den Markt zu erobern.

Momentan sind diese hochwertigen VR-Brillen mit einem Kabel verbunden und benötigen einen leistungsstarken Gaming-PC sowie stationäre Sensoren. Hersteller werden versuchen die VR-Brillen ergonomischer und günstiger zu produzieren. Facebook hat bereits angekündigt autarke hochwertige VR-Brillen mit sogenannten In-Out-Tracking zu entwickeln, wobei in der Brille bereits der Miniatur-PC verbaut ist. Also VR-Brillen ohne stationäre Sensoren, Kabel und großen PC. Wir glauben sogar, dass der PC bald verschwinden wird, weil leistungsfressenden Applikationen auf Servern laufen werden, um den Client, also in dem Fall die VR-Brille, nur noch mit dem über das Internet gestreamten Inhalten zu bespielen. Momentan kämpft man auch mit der Latenz, dh die Zeit zwischen Bewegung des Kopfes bis hin zur Anzeige des neuberechneten Bildes muss innerhalb weniger Millisekunden passieren.

Viele Umsatzprognosen für die Jahre 2017 – 2020 gehen davon aus, dass bei der VR-Hardware mit einem linearen und bei den VR-Inhalten mit einem exponentiellen Wachstum in den nächsten Jahren zu rechnen ist. Deswegen liegt die Herausforderung in den nächsten Jahren viel weniger in der Weiterentwicklung der Hardware sondern viel mehr in den VR-Inhalten. Alle VR-Entwickler sind noch immer auf der Suche nach der sogenannten „Killer-App“, die VR massentauglich machen wird. Content is King.

Erzähl uns was über Squarebytes.

Ich habe die Squarebytes im April 2014 gegründet mit der Vision das Holodeck für die Immobilienbranche zu entwickeln. Heute ist mein Traum eines Holodecks mit unserer VR-Spielwiese ein Stückchen realer geworden. In unserer VR-Spielwiese haben wir bereits sehr viele namhafte Akteure der Immobilienbranche gezeigt wie eine mögliche Zukunft der Immobilienbesichtigung aussehen kann. Für viele war das Aufsetzen der VR-Brille und das Durchgehen durch ein komplettes Haus mit 200 m² ein einzigartiges Erlebnis. Danach haben Sie erst verstanden welches Potential die VR-Technologie zu bieten hat und wie sie diese verkaufsfördernd nutzen könnten. Wir sehen uns als digitale Agentur und Spieleentwickler für die Immobilienwelt. Unsere Mission ist es, mit VR Interessenten bei Ihrer Vorstellungskraft zu unterstützen, um somit das Vertrauen zu den Bauträgern zu erhöhen. Um Ihnen schlussendlich bei der Kaufentscheidung zu helfen.

Wie erlebt Ihr die österreichische Startup Szene?

Ich war dieses Jahr für eine Woche in Silicon Valley auf Inspiration Tour und habe dort in den Gesprächen mit Mitarbeitern unteranderem bei Facebook und Ebay Einblicke in das Mindset dieser Unternehmen bekommen. Zusammenfassend kann man sagen, dass es hier um Schnelligkeit in allen Belangen geht. Sei es ein Investment zu bekommen, einen Prototypen zu entwickeln bis hin ein erstes funktionales Produkt am Markt zu bringen. Genau diese Schnelligkeit lässt sich aufgrund unserer europäischen Werte bei großen Unternehmen nicht umsetzen, da diese darauf bedacht sind ein Unternehmen langsam und solide aufzubauen. Deshalb sehe ich für Startups in Österreich bzw. Europa eine riesige Chance schnell zu wachsen, um ein Geschäftsfeld völlig neu zu erfinden. Jedoch haben wir es als Startups in Österreich nicht leicht. Wo das mehrmalige Scheitern in Silicon Valley eine Voraussetzung für die Gründung eines erfolgreichen Startups ist, ist in Österreich der unternehmerische Tod, bei dem sich Menschen vom Scheiternden abwenden und die Politik einem in das betriebswirtschaftliche Exil schickt. Scheitern muss ein Teil eines Lernprozesses werden und nicht das Ende einer Abenteuerreise. Zu guter Letzt finde ich, dass ein Ecosystem, in dem Startups aufblühen können, nicht nur ein Coworking Spaces benötigt, sondern viel mehr eine Community, bei dem sich Startups und Investoren gegenseitig unterstützen können. Ich sage nicht, dass das Silicon Valley ein Honigkuchenland für Startups ist, aber wir könnten einige erfolgreiche Aspekte für uns übernehmen und diese in unsere europäischen Werte integrieren.

Mehr über Squarebytes, VR und AR, mit Praxisbeispielen und der Möglichkeit sich auf der VR Spielwiese auszutoben, erfahren Sie auf der DIGITALIZE Bau+Immo am 22. März 2017

 

 

 

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