Diversität ist in der Biologie das einzige Mittel im Umgang mit Veränderung

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Biologin, Verhaltensforscherin, Comedian und Keynotspeakerin auf der Digitalize Bau+Immo: Elisabeth Oberzaucher ist extrem vielseitig und entsprechen vielseitig sind die Fragen, die wir in diesem Interview an sie gestellt haben. Da geht es um Diversity, den Einfluss der Digitalisierung auf unser Verhalten, den Klimawandel und auch um die Science Busters und deren Arbeit. Die folgenden ca. 6000 Zeichen stecken voller wissenswerter Fakten und gut begründeter Meinungen und diese sind klar und verständlich gebracht. Das Lesen lohnt sich!

Die Fragen stellte Alexander Ghezzo

Ghezzo: Die Digitalisierung verändert Verhaltensmuster und Kommunikation grundlegend und extrem schnell. Das wird gerne auch negativ kommentiert: „Früher waren die Kinder draußen spielen und heute sitzen sie vor dem Handy“. Da ist natürlich auch was dran, aber was kann man denn Positives über den Einfluss der modernen Welt auf unser Verhalten sagen?

Oberzaucher: Die Diskussion um die Veränderung der Lebensweise von Generation zu Generation hat eine lange Geschichte. Die sich verändernden Lebensbedingungen wirken sich in allen Aspekten unseres Alltags auf unser Verhalten aus. Die Mitglieder der jüngeren Generationen sind meist jene, die neue Entwicklungen schneller annehmen. Für sie ist kein Um- oder Verlernen bisheriger Verhaltensweisen nötig, und deshalb findet bei neuen Technologien das Lernen oft nicht von Alt Richtung Jung statt, sondern von Jung Richtung Alt. Die “Digital Natives” sind jene Menschen, die mit der Digitalisierung groß geworden sind, es ist also natürlicher Teil ihres Lebens, dass die digitale mit der analogen Welt verschmilzt. Die “Digital Immigrants”, also jene von uns, die sich noch an Zeiten ohne Internet und Smartphone erinnern können, tun sich im Umgang mit modernen Technologien schwerer. Diese Unterschiede der Verteilung von Fähigkeiten zwischen den Generationen finden sich immer wieder – neue Herausforderungen erfordern neue Fähigkeiten, und wenn sie nicht mehr gefragt sind, dann werden sie auch nicht weiter tradiert. Insofern ist die Veränderung nicht als positiv oder negativ zu werten, sie ist eine vielmehr eine unvermeidliche Antwort auf die Lebensbedingungen.

Ghezzo: Haben Sie Tipps im Umgang mit dem digitalen Zeitalter?

Oberzaucher: Die technologische Entwicklung verläuft so wahnsinnig schnell, dass unsere Verhaltensanpassungen gezwungenermaßen hinterherhinken. Neue Herausforderungen brauchen neue Antworten, und deshalb ist es von großer Bedeutung, sich nicht auf die eingefahrenen Muster zu verlassen, sondern lebenslang zu lernen und am Puls der Zeit zu bleiben. Das mag sich zwar ein wenig anstrengend anfühlen, so bleibt das Leben aber auch spannend.

Ghezzo: Die Zukunft der Städte aus dem Blickwinkel der Evolutionstheorie: Was sollten Stadtplaner und Immobilienentwickler schon jetzt mitdenken?

Oberzaucher: Die Entwicklung findet im Spannungsfeld zwischen evolutionär geprägten Vorlieben und Verhaltenstendenzen einerseits, und sie stark verändernden Lebensbedingungen aufgrund von Globalisierung, veränderten Arbeitswelten, Klimakrise und sozialen Veränderungen statt. Die Grundlagen für die evolutionären Aspekte sind wissenschaftlich gut belegt und in ihrer Wirksamkeit auch gut vorhersagbar. Die künftigen Entwicklungen sind jedoch mit viel größeren Unsicherheiten verbunden. Hier wird es von großer Bedeutung sein, dynamische Strukturen zu schaffen, die auf heute noch nicht absehbare Entwicklungen reagieren können. Der öffentliche Raum wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen, da hier die großen Herausforderungen des urbanen Zusammenlebens gemeistert werden können – oder, wenn er schlecht gestaltet ist, wo die großen Probleme entstehen können.

Ghezzo: Gender und Diversity stehen in vielen Unternehmen jetzt ganz oben auf der Prioritätenliste. Auch regulativ passiert enorm viel. Hat die Wissenschaft hier Tipps für Unternehmen?

Oberzaucher: Diversität ist in der Biologie das einzige Mittel im Umgang mit Veränderung. Es kann zwar sein, dass man für eine Situation eine perfekte Lösung findet, diese kann aber völlig nutzlos werden, wenn sich die Bedingungen auch nur marginal ändern. Deshalb ist jeder Organismus, jede Spezies und jedes Unternehmen gut beraten, sich nicht zu sehr einzuschränken, sondern unterschiedliche Zugänge zu erlauben, um auf diese Art Resilienz gegenüber unvorhersehbaren Entwicklungen zu entwickeln.

Ghezzo: Sie befassen sich auch viel mit Klimawandel. Hat der Mensch das Potential sein Verhalten so grundlegend zu ändern, dass wir noch die Chance haben, das schlimmste abzuwenden?

Oberzaucher: Die Wissenschaft warnt seit Jahrzehnten davor, dass die Konsequenzen des verschwenderischen Umgangs mit den Ressourcen unseres Planeten fatale Folgen hat, wenn wir es nicht schaffen, uns einzubremsen. Dazu sind Veränderungen auf der individuellen Verhaltensebene ebenso notwendig wie politische Maßnahmen. Alleine mit technischen Innovationen wird die Trendwende nicht gelingen. Eine Krise ist immer auch Gelegenheit, wenn dadurch Innovationskraft zielgerichtet eingesetzt wird. Wie auch andere Tiere brauchen Menschen Anreize, um in ihrem Verhalten die gewohnten Pfade zu verlassen – diese Anreize können dadurch entstehen, dass das erwünschte Verhalten in sich belohnender ist, z.B. ist es viel angenehmer im Nachtzug zu reisen als mit dem Flugzeug, aber auch dadurch, dass das unerwünschte Verhalten bestraft wird, wie z.B. durch Erhöhung der Kosten auf CO2 Ausstoß. Das schlechte Gewissen, das viele empfinden, wenn sie klimaschädlich agieren, ist als Motivator schlecht geeignet, um eine tatsächliche Verhaltensänderung hervorzurufen. Es wird sicher nicht einfach, das Schlimmste abzuwenden, es ist aber durchaus möglich. Wenn wir die Ärmel hochkrempeln, und rasch etwas tun.

Ghezzo: Wie schaut denn die Arbeit mit den Science Busters aus?

Oberzaucher: Wissenschaftskommunikation mit den Science Busters ist sehr vielfältig. Genauso bunt wie die Truppe, die sich um unseren MC, Martin Puntigam schart, sind auch unsere Aktivitäten. Die TV Shows, derzeit wieder in der Dienstag Nacht auf ORF1 zu sehen, erfordern viel Vorbereitung und Präzision, damit die Kamera auch alles mitbekommt, was für die Show von Bedeutung ist. Wir touren auch im gesamten deutschsprachigen Raum mit unterschiedlichen Theaterprogrammen, und der Klimawandel steht im Zentrum der aktuellen Global Warming Party. Wöchentlich gibt es eine Science Busters Show auf FM4, wo wir in wenigen Minuten unterschiedliche wissenschafltiche Themen verdaulich aufbereiten. Wir verfassen auch regelmäßig Texte für unterschiedliche Medien. Sehr spannend finde ich die Zusammenarbeit mit Martin Puntigam, der in unvergleichlicher Weise dafür sorgt, dass wir WissenschafterInnen nicht zu sehr ins Fach abgleiten, und dadurch Türen zu Menschen öffnet, die nicht so ganz nahe an Wissenschaftsthemen sind. Gemeinsam mit ihm schaffen wir es, einem breiten Publikum zu vermitteln, wieviel Spaß Wissenschaft machen kann, und dabei bleiben auch noch ein paar Inhalte hängen.

Treffen Sie Elisabeth Oberzaucher persönlich auf der Digitalize Bau Immo 4 0

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