Die „eine Wahrheit“ finden: Digitalisierung der Bau- und Immobilienbranche strategisch aufgesetzt

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Allein die Beschaffung eines Softwareproduktes zur Ablöse eines bisherigen „Papierprozesses“ ist noch nicht die digitale Revolution. Viel zu oft fehlt in der Bau- und Immobilienbranche ein strategischer Zugang, so dass das Potential der Digitalisierung nicht ausgeschöpft wird. Dabei gibt es gerade in diesen Branchen sehr viele Themen: die zunehmende Komplexität der Projekte, die Unmengen an Daten, aus denen man lernen kann, die Dokumente und Verträge, an die man sich halten muss u.v.a.. Andreas Schunter von Solreco begleitet die Bau- und Immobilienbranche seit vielen Jahren. Im Interview berichtet er über die Chancen der Digitalisierung, die Hindernisse die ihm in der Praxis begegnen, die Integration von Proptechs und anderer Technologien und von den Entwicklungen der Softwarebranche, allen voran SAP.

Die Fragen stellte Alexander Ghezzo

Ghezzo: In den letzten 5 Jahren ist die Digitalisierung der Bau- und Immobilienbranche zu einem bestimmenden Thema geworden. Wie erleben Sie die digitale Evolution in diesen Branchen?

Schunter: Der Wille zur Digitalisierung ist aktuell in weiten Teilen der Bau- und Immobilienbranche zu verzeichnen. Dies war vor 5 Jahren nur zögerlich zu spüren und bekam in den letzten Jahren deutlich Rückenwind. Für viele Unternehmen ist allerdings dann die viel größere Herausforderung, die Digitalisierung richtig anzugehen. Es fehlt in den meisten Fällen eine Strategie und der Weg zur Umsetzung der Digitalisierung. Wir sehen hier häufig ein Dilemma. Man ist bereit die Digitalisierung anzugehen, weiß aber nicht so recht, wie man es angehen soll. Häufig wird dann im Reflex allein die Beschaffung eines Softwareproduktes zur Ablösung eines bisherigen „Papierprozesses“ als „Digitalisierungsprozess“ verstanden. Unsere Aufgabe besteht daher oft darin, den Begriff „Digitalisierung“ mit Leben zu füllen und die ganze Tragweite aufzuzeigen. Dies beinhaltet auch die Erarbeitung einer Roadmap, einen Plan, der auf ein gestecktes Ziel hinarbeitet. Darin sollten die einzelnen Bausteine einer Zielsystemlandschaft festgelegt sein und damit auch Entscheidungen einhergehen, welche Anwendungen zum Einsatz kommen und wie diese intelligent verbunden werden. Die Entscheidungen müssen natürlich auch kaufmännisch betrachtet werden, da hierdurch langfristige Festlegungen und somit auch Verpflichtungen einhergehen. Da jedes Unternehmen eine individuelle Ausgangssituation besitzt, muss hier zuerst eine Übersicht zum Status Quo erstellt werden. Mit den gegebenen Rahmenbedingungen können dann systematisch die Aktivitäten angegangen werden. Man benötigt die Zeit und ein Vorgehensmodell, um die Aufgaben der Digitalisierung umsetzen zu können. Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag errichtet.

Ghezzo: Wo sind die großen Produktivitätssteigerungs- und Optimierungspotentiale?

Schunter: Bei einer ganzheitlichen Betrachtung einer Digitalisierungsstrategie können die Geschäftsprozesse im Unternehmen, vor allem aber auch die Kommunikation und die Zusammenarbeit mit Dienstleistern und Kunden wesentlich optimiert und beschleunigt werden. Dies führt zu Zeitersparnis, Verbesserung der Datenqualität und erhöhter Transparenz in der Bearbeitung. Dadurch können Entscheidungen auf einer gesicherten Datengrundlage und auch zügiger erfolgen. Ziel ist es, dass sich Mitarbeiter und Führungskräfte auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können und der Aufwand für „Nebenschauplätze“ sich deutlich reduziert.

Ghezzo: Sie haben sich auf SAP Implementierung und Gestaltung spezialisiert. Was sind die Vorteile, die SAP Systeme der Bau- und Immobilienwirtschaft bieten?

Schunter: Grundlegender Vorteil des SAP-Systems (ERP bzw. S/4HANA) ist die Abbildung der Geschäftsprozesse in einem bewährten integrierten System. Die Werteflüsse werden nicht durch Schnittstellen oder Logikbrüche eingebremst. Die Zielsetzung, in der Unternehmenssoftware die „eine Wahrheit“ zu finden, kann damit tatsächlich erreicht werden. Weiter bieten die Anwendungen weitreichende Möglichkeiten für uns als IT-Berater und Lösungsanbieter, nahtlos integrierte Add-In-Lösungen zu entwickeln. Unsere Lösungen zur Unterstützung des Bauprojektcontrollings helfen unseren Kunden dabei, die branchenspezifischen Anforderungen in SAP anwenden zu können. Egal ob im zentralen Projektmonitoring, dem Nachtrags- und Risikomanagement, Reporting zur Kostenkontrolle und -prognose, der spezifische Baurechnungsprüfung und -verarbeitung oder im Gewährleistungsmanagement führen wir hierbei Branchenspezifika mit den Vorteilen eines integrierten ERP-Systems zusammen, auch in Bezug auf den Anwendungskomfort gewohnter Branchenlösungen. Zusätzliche Softwareprodukte für diese Aufgaben werden damit überflüssig. Das spart Zeit, Kosten und vereinfacht die Arbeitsabläufe im Unternehmen.

Ghezzo: Von SAP hört man, dass das Unternehmen auch gerade dabei ist, sich neu zu erfinden, um kundenorientiert zu bleiben. Was sind da für Sie interessante Entwicklungen?

Schunter: SAP hat die Kunden (und auch Berater) erhört und setzt verstärkt auf Anwenderfreundlichkeit in der Anwendung durch webbasierte Oberflächen, aber auch durch die Möglichkeit, ergänzende Cloud-Applikationen zum ERP-System einsetzen zu können. Dies trägt erheblich zur Akzeptanz bei den Anwendern bei, was sich direkt in der Qualität der Daten bemerkbar macht. SAP setzt dabei zum einen auf klassische Kernanwendungen, welche die Grundlage der betriebswirtschaftlichen Abläufe beinhaltet. Ergänzt werden diese Anwendungen durch Cloud-Produkte, die über Standard-Konnektoren an die zentralen Systeme angebunden werden können.

Ghezzo: Proptechs sind ja eine ganz wichtige Komponente in der fortschreitenden Digitalisierung. Wie funktioniert die Einbindung in SAP?

Schunter: Die meisten Proptech-Lösungen am Markt stellen Insellösungen für ein spezielles Tätigkeitsfeld dar. Die Anwendung ist dabei meistens auch funktional sehr gut auf die Abwicklung dieser Aufgabenstellungen zugeschnitten. Allerdings fehlt ebenso häufig der integrative Ansatz der Geschäftsprozesse. Mit dem Einsatz dieser Lösungen werden dann wieder viele Datencontainer generiert, die nicht aufeinander abgestimmt bzw. integriert sind. Gerade bei der Unterstützung von Unternehmensaufgaben, die in Abfolgen von Einzelprozessen eingebettet sind und Beschaffungs- und Freigabeprozesse anstoßen oder Folgeprozesse im kaufmännischen Bereich auslösen müssen, ergibt sich dann ein Systembruch. Hier muss viel mehr integrativ gedacht werden und der Implementierung ein Zielbild zugrunde liegen, in die die Lösungen eingebettet werden. SAP bietet dafür inzwischen eine ganze Reihe von Standardwerkzeugen, welche Integrationsszenarien sehr gut unterstützen. Für die jeweiligen Anwendungs- und Bedarfsfälle kann dann das beste Werkzeug ausgewählt werden. Hierzu seien exemplarisch die SAP Cloud Platform oder die SAP Process Orchestration (PO) als Flaggschiffe der Integrationswerkzeuge der SAP genannt.

Ghezzo: Solreco ist seit 2007 tätig. Was waren für Sie in dieser Zeit die interessantesten Projekte und Erfahrungen?

Schunter: Unsere Berater- bzw. Berufserfahrung in der Bau- und Immobilienwirtschaft geht ja sogar noch deutlich weiter zurück bis in die 1990er Jahre. Die Bandbreite unserer Kunden hat uns in diesem Zeitraum verschiedenste Aspekte des Immobilienmanagements aufgezeigt. Die Wohnungswirtschaft besitzt die Herausforderung der Abwicklung großer Mengen an Detailaufgaben. Im Bereich des Immobilieninvestments bei Versicherungen und Fonds liegt der Schwerpunkt auf den Steuerungsaufgaben des Immobilienportfolios. Bei Unternehmen im Bereich Produktion/Retail oder der öffentlichen Hand liegt der Fokus individuell sehr unterschiedlich, meistens verstärkt im operativen Facility Management. Spannend war und ist immer in allen Branchensegmenten die Begleitung der Unternehmen im Transformationsprozess, also die bewusste Veränderung von Geschäftsprozessen, Abläufen und Tätigkeiten unter Einsatz von IT-Lösungen. Dabei ging es immer auch darum, neben der reinen Systemimplementierung auch die Geschäftsprozesse neu zu denken und zu modellieren. Aus diesen (Digitalisierungs-)Projekten haben sich dann auch wieder neue Impulse für IT-Lösungen ergeben. Daraus resultierten unter anderem unsere SAP Add In-Lösungen für die Überwachung, Steuerung und Abrechnung von Bauprojekten oder der Instandhaltungsabwicklung im Rahmen eines integrierten Kostencontrolling in SAP. Wir erleben bei unseren Kunden ein hohes Maß an Zufriedenheit und Systemakzeptanz durch den Einsatz dieses Lösungsportfolios, welches den branchenspezifischen Anforderungen gerecht wird und redundante Systeme überflüssig macht. Dadurch werden manuelle Aufwände für Datenabgleiche und Datenbereinigungsaktivitäten überflüssig. Dies führt dazu, dass die Mitarbeiter sich voll auf ihre Kernaufgaben konzentrieren und diese somit besser ausführen können.

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